Multiple Sklerose

KRANKHEITSGESCHEHEN

Die Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Abhängig von den entzündeten Bereichen im Gehirn und im Rückenmark können unterschiedliche Symptome auftreten. Das können Sensibilitätsstörungen (z. B. Kribbeln), Sehstörungen, Kraftverlust in Beinen und Armen, aber auch übermässige Ermüdbarkeit, Schmerzen oder Probleme mit Blase und Darm sein. MS ist eine Autoimmunerkrankung, das heisst, das Immunsystem ist fehlgeleitet und richtet sich gegen körpereigene Stoffe.

MS ist zum heutigen Zeitpunkt zwar nicht heilbar, aber dank der zur Verfügung stehenden Therapien kann der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst werden.

Für das ZNS und viele weitere Fachbegriffe finden Sie eine kurze Erklärung im Glossar.

Wer erkrankt an MS?

Weltweit leiden etwa 2,8 Millionen Menschen an MS. In der Schweiz sind es rund 15'000 Betroffene, wobei die Zahl in den letzten Jahrzehnten um etwa die Hälfte angestiegen ist. Frauen erkranken etwa drei- bis viermal häufiger als Männer. Die Erkrankung wird in der Regel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr festgestellt, kann aber auch schon im Kindes- und Jugendalter oder auch nach dem 40. Lebensjahr auftreten.

Geografische Verteilung der Erkrankungshäufigkeit
(Multiple Sclerosis International Federation – Atlas of MS – 3rd Edition,
September 2020)

Weltkarte
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MS-Betroffene pro 100’000 Einwohner

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Krankheitsursachen

Die genauen Ursachen der MS sind bisher noch nicht ausreichend geklärt. Aktuell geht man davon aus, dass mehrere Faktoren zusammentreffen müssen, um eine MS auszulösen.

Familiäre Faktoren
Familiäre Faktoren
Familiäre Faktoren

Familiäre Faktoren
MS wird nicht direkt von den Eltern auf ihr Kind vererbt. Sie tritt allerdings häufiger bei Menschen auf, in deren Familie bereits jemand an MS erkrankt ist. Doch selbst wenn ein Verwandter MS hat, ist das Risiko sehr gering, selbst an MS zu erkranken.

Umweltfaktoren
Umweltfaktoren
Umweltfaktoren

Umweltfaktoren
An welchem Ort wir aufwachsen, hat auch Einfluss auf das Risiko, an MS zu erkranken. Mit zunehmender Entfernung vom Äquator steigt nämlich die Anzahl an MS-Erkrankungen. Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend weniger Sonnenlicht ausgesetzt waren, haben ein erhöhtes MS-Risiko. Vermutlich spielt hierbei Vitamin D eine Rolle: Sonnenlicht ist unsere wichtigste Vitamin D-Quelle, und ein Vitamin D-Mangel wird mit einem erhöhten MS-Risiko in Verbindung gebracht.

Rauchen
Rauchen
Rauchen

Rauchen
Rauchen kann das MS-Risiko erhöhen. Ausserdem kann es Schäden im Gehirn und körperliche Beeinträchtigungen verstärken. Wenn du rauchst oder dampfst, solltest du mit deinem Arzt besprechen, wie du damit aufhören kannst.

Infektionen
Infektionen
Infektionen

Infektionen
Möglicherweise schädigen bestimmte durch Viren oder Bakterien verursachte Infektionen das Myelin. Auch das könnte MS auslösen. Zudem vermuten Experten, dass Infektionen MS-Schübe verstärken können; dies ist allerdings noch nicht wissenschaftlich belegt.

Wie entsteht MS?

MS ist eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass unser eigenes Immunsystem einen Teil unseres Körpers angreift. Der Verlauf der Krankheit ist daher eng mit den darunter liegenden Immunprozessen verbunden. Das Verständnis dieser Prozesse ist wichtig, um die Krankheit selbst besser zu verstehen.

Das Immunsystem

Das Immunsystem ist unser körpereigenes Abwehrsystem gegen Krankheitserreger wie Bakterien und Viren oder Fremdund Schadstoffe. Es hat die Aufgabe, diese Eindringlinge frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen.

Das Immunsystem lässt sich grob in ein angeborenes und ein adaptives Immunsystem unterteilen. Die angeborene Immunität dient hauptsächlich dazu, Krankheitserreger und Gewebeschäden zu erkennen und den Körper zu alarmieren. Dazu gehören z.B. Makrophagen (auch Fresszellen genannt), welche Krankheitserreger unschädlich machen und Teile davon an ihrer Oberfläche präsentieren, um das adaptive Immunsystem zu alarmieren.

Die adaptive Immunität hingegen ist in der Lage, Krankheitserreger spezifisch zu erkennen und sich an bestimmte Merkmale zu erinnern (Gedächtnis). Hierzu gehören T- und B-Zellen, welche infizierte Zellen erkennen und entweder direkt (T-Killerzellen) oder durch die Bildung von Antikörpern (spezialisierte B-Zellen, Plasmazellen genannt) abtöten können. Dadurch können Krankheitserreger auf sehr spezifische und effiziente Weise beseitigt werden.

Damit das System effizient funktionieren kann, müssen die verschiedenen Zelltypen innerhalb spezieller Strukturen wie Lymphknoten oder im Falle einer chronischen Infektion im betroffenen Gewebe miteinander kommunizieren. Kommt es zu einer Fehlkommunikation zwischen den verschiedenen Zelltypen, kann eine unspezifische Aktivierung gegen den eigenen Körper des Patienten ausgelöst werden, was zur Autoimmunität führt.

Gesunde Nervenzelle
Gesunde Nervenzelle
Gesunde Nervenzelle

ZNS: zentrales Nervensystem

Das Immunsystem bei MS

MS liegt einem fehlgesteuerten Entzündungsprozess zugrunde, bei dem körpereigene Immunzellen die Myelinscheide der Nervenfasern irrtümlich zerstören (Demyelinisierung). Die Myelinscheide ist eine fetthaltige Schicht aus Myelin, welche die meisten Nervenfasern (Axone) umgibt. Es schützt die Nervenfasern und ermöglicht eine schnelle Informationsweiterleitung zwischen dem Gehirn und dem restlichen Körper. Sobald aber die Myelinschicht durch eine Entzündung beschädigt wird, kommen die Informationen nicht mehr oder nur noch unvollständig oder verzögert an. Die Weiterleitung von Nervenimpulsen verlangsamt sich oder wird unterbrochen. Langfristig sind die Nervenzellen auch von den Entzündungen mitbetroffen.

Im Frühstadium der schubförmigen MS werden autoreaktive (gegen den eigenen Körper gerichtete) T- und B-Zellen in regelmässigen Abständen in den Lymphknoten aktiviert, wandern ins Blut und überwinden schliesslich die so genannte Blut-Hirn- Schranke, um in das ZNS zu gelangen. Dort rekrutieren sie weitere Fresszellen, was zur Demyelinisierung und zum Verlust von Nervenzellen führt. Dieser Prozess kann mittels Magnetresonanztomographie (MRT) als Kontrastmittelaufnahme sichtbar gemacht werden. Die durch diesen Prozess verursachten klinischen Symptomen sind mit der Lokalisation der Schädigung assoziiert.

Bei progredienter MS wie primär oder sekundär progressiver MS (PPMS oder SPMS) tritt die akute Störung der Blut-Hirn-Schranke seltener auf (mehr zu den Verlaufsformen der MS, siehe Seite 24). Aus diesem Grund wird angenommen, dass sich die Immunzellen im ZNS der Patienten festsetzen, wo sie eine fortschreitende Schädigung der Nerven verursachen.

Entzündungsgeschehen bei MS
Entzündungsgeschehen bei MS
Entzündungsgeschehen bei MS

ZNS: zentrales Nervensystem